BRD-Militaristen mit „Stecknadel“-Manifestationen zum großen Krieg?

Timofey Bordachev Programmdirektor des Waldai-Diskussionsklubs

3. April 2025

Keine der heutigen Ursachen für die schleichende Militarisierung Deutschlands kann mit dem verglichen werden, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschah. Doch selbst die kleinsten („stecknadelartigen“) Manifestationen deutscher militärischer Aktivität können zu realen Schwierigkeiten führen.

Vor wenigen Tagen berichteten die Medien, dass Deutschland erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine permanente Militärbrigade im Ausland stationiert hat. Natürlich wissen wir nicht, wie hoch das reale Potenzial dieser Einheit ist, aber laut dem deutschen Verteidigungsministerium wurde die 45. Panzerbrigade der Bundeswehr offiziell nahe Vilnius stationiert. Doch selbst dieses bescheidene Ausmaß trägt alle Merkmale einer Provokation, hinter der eine Mischung aus taktischer Verantwortungslosigkeit und strategischer Leichtfertigkeit steht.

Das Erste macht die Situation gefährlicher – nicht durch ausgeklügelte Planung, sondern einfach, wie man sagt, „aus Dummheit“. Das Zweite versetzt Deutschland selbst in eine Lage, mit deren Folgen es bislang nicht einmal theoretisch umgehen kann. Eine wirkliche Militarisierung Deutschlands wird niemand zulassen. Doch selbst eine scheinbare Militarisierung, wie sie derzeit stattfindet, könnte buchstäblich aus dem Nichts gefährliche Folgen haben.

Deutschland ist, wie ganz Europa, nicht wegen seiner Stärke, sondern wegen seiner Schwäche gefährlich – darüber musste ich in den vergangenen Jahren bereits vielfach schreiben und sprechen. Solche Phänomene gab es selten in der Geschichte der internationalen Politik. Aber sie kamen vor. Das Hauptproblem der Europäer und ihrer Politiker ist das Fehlen einer Zukunftsvision. Und wenn man nicht versteht, wie der morgige Tag aussehen soll, richten sich alle abnehmenden Kräfte darauf, den gestrigen Tag endlos zu verlängern.

Deutschland ist in dieser Hinsicht Europa hoch drei, das maximale Vorteile aus der Ordnung gezogen hat, die nun der Vergangenheit angehört, und das nun ziemlich verloren die Geschehnisse um sich herum beobachtet. Seine Reaktionen darauf sind hauptsächlich hysterisch. Dabei versucht Deutschland schon gar nicht mehr, seinen Ärger hinter der Maske eines Selbstbewusstseins zu verbergen, an das man sich in den 30 Jahren nach dem Kalten Krieg gewöhnt hat.

Ausdruck einer solchen hysterischen Reaktion ist die heutige Mode der Militarisierung. Diese hat allerdings eine weitere starke Quelle: den Umgang mit den Finanzen der Bürger, einschließlich dessen, was sie in Zukunft verdienen könnten. Deutsche Politiker brauchen hier, wie ihre europäischen Kollegen, mehrere Dinge.

Erstens einen neuen Vorwand für unkontrollierte Ausgaben wirklich großer Geldsummen. Gefallen an dieser Praxis haben sie während der Coronavirus-Pandemie gefunden. Und da Deutschland nun einmal das reichste Land Europas ist, gibt es hier weitaus mehr Möglichkeiten für Korruption in der neuen „modischen“ Richtung der Staatsausgaben.

Zweitens ist seit eineinhalb Jahrzehnten allen klar: Die europäischen Bürger der neuen Generationen werden schlechter leben als ihre Eltern. Dafür gibt es viele objektive Gründe, darunter das wachsende Konsumniveau im Rest der Welt, die Stagnation des europäischen Sozial- und Wirtschaftsmodells und die Krise des westlichen Kapitalismusmodells. Um an der Macht zu bleiben, müssen Politiker ihren Wählern erklären, warum sie in Zukunft schlechter leben werden. Aber es ist unmöglich, dies wie in Großbritannien zu tun, wo die Menschen pflichtbewusst Entbehrungen hinnehmen. Man kann den Wählern auch nicht sagen, dass Politiker oder das System insgesamt gescheitert sind, denn dann müsste man überlegen, was als nächstes zu tun ist. Neue Ideen gibt es jedoch gar keine.

Die Bedrohung durch Russland wird zu einer idealen Erklärung dafür, warum Menschen weniger essen werden müssen.

Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Beschwörung, dass Europa für seine Sicherheit zahlen müsse. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs sagte in einem Interview ganz richtig, dass Politiker, die über einen wahrscheinlichen Angriff Russlands auf Europa sprechen, einen Psychiater aufsuchen sollten. Aber niemand tut dies.

Die deutschen Medien treiben das Thema der militärischen Bedrohung aus dem Osten zunehmend voran, einfach weil es keine anderen ernsthaften Gründe gibt, von Europa zu verlangen, für Sicherheit zu zahlen. Warum sollten Europäer überhaupt dafür zahlen, wenn niemand in der Welt sie angreifen will? Zahlen sollen sie dennoch – an ihre eigenen und amerikanischen Industriellen und Politiker mitsamt ihrem ganzen Gefolge in Medien und NGOs.

Und schließlich beginnen selbst in Deutschland die Folgen der lang anhaltenden europäischen Rezession spürbar zu werden. Dieses Land hat immer am meisten von einem vereinten Europa profitiert, musste aber auch mehr beitragen als etwa Frankreich. Jetzt möchte Berlin weiterhin von seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union profitieren, aber nicht länger mit seinen bereits ausgeplünderten Nachbarn in Griechenland, Portugal oder Spanien teilen. Die beste Methode dafür ist, einen Grund zu erfinden, Geld aufgrund außergewöhnlicher Umstände in der deutschen Wirtschaft zu behalten.

Die Kampagne läuft mittlerweile so energisch, dass engagierte Beobachter tatsächlich glauben könnten, deutsche Politiker würden ihr Volk auf einen großen Krieg mit Russland vorbereiten.

Dabei treffen sie die leichtfertigsten politischen Entscheidungen, denn deutsche Politiker sind es in Europa am meisten gewohnt, unter der engen Aufsicht der USA zu stehen. Washington überwachte jahrelang nicht nur, was deutsche Politiker denken, sondern auch, ob sie überhaupt in der Lage sind, jenseits einfachster Loyalitätsformeln zum transatlantischen Bündnis zu denken.

Doch niemand beeilt sich, die Fehlerhaftigkeit der Berliner Politik zu erklären. Im Gegenteil, die übrigen Europäer treiben Deutschland gemeinsam weiter in Richtung Militarisierung, selbst wenn diese einen etwas falschen oder komödiantischen Anstrich trägt.

Der Grund ist einfach: Seit mehr als 20 Jahren nach der Schaffung der Eurozone, in der Berlin die Hauptrolle spielt, haben die Deutschen bereits „alles“ bekommen. Aber niemand kann es ihnen direkt sagen – außer vielleicht die Polen, die ohnehin bereits mit begrenzten Mitteln auskommen müssen. Infolgedessen drängen Frankreich, Italien oder Spanien – ganz zu schweigen von den anderen – Deutschland weiter in eine Verschlechterung der Beziehungen zu Russland.

Europa ist auch eine Ansammlung von Konkurrenten, die Freundschaft vortäuschen, aber bereit sind, den Nachbarn bei erster Gelegenheit zu hintergehen. Umso mehr sind sie bereit, den Stärksten zu allem zu ermutigen, was langfristig zu seiner Schwächung führen könnte. Die Briten schlossen sich ebenfalls an, plötzlich daran erinnernd, dass auch sie zu Europa gehören. Mit schmeichelhaften Worten ermuntern sie Berlin, der Regierung dort zu erlauben, noch mehr Geld von den eigenen Bürgern für militärische Ausgaben zu verlangen. Ihr Ideal wäre es, Deutschland in einem neuen Kalten Krieg gegen Russland wirtschaftlich vollständig zu ruinieren.

Auch die Amerikaner haben damit kein Problem – je mehr die Deutschen für Rüstung ausgeben, desto mehr müssen sie in den USA kaufen. Dafür sorgt unter anderem die Standardisierung der Waffen innerhalb der NATO. Paris stimmt zu, weil es selbst nicht besonders viel für Verteidigung ausgeben möchte: Selbst dem Kiewer Regime haben die Franzosen weniger Hilfe zukommen lassen als alle anderen großen westlichen Länder.

Doch keiner der Gründe für die schleichende Militarisierung Deutschlands oder die Diskussion darüber kann mit dem verglichen werden, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschah. Damals brach das gesamte Machtsystem zusammen, Chaos herrschte im Land, und eine unglaubliche Anzahl an Arbeitslosen und Kriegsveteranen streifte durch die Straßen. Doch auch die kleinsten Manifestationen deutscher militärischer Aktivität können heute zu Problemen führen.

Es ist schwer zu sagen, zu welchen Abenteuern sich die Regierungen der ehemaligen baltischen Republiken der UdSSR entschließen könnten, wenn das Interesse der Amerikaner an ihnen abnimmt. Und das dort stationierte deutsche Militär ist bereits Geisel einer Situation, deren Entwicklung Deutschland nicht kontrollieren kann. In Berlin ist man nicht in der Lage, potenzielle Bedrohungen richtig einzuschätzen – man hat in den letzten Jahrzehnten verlernt zu denken.

So entsteht ein leichtfertiger Militarismus. Ohne ernsthafte Absichten oder reale Möglichkeiten, anderen zu schaden, aber mit vielen Risiken hinsichtlich der Nebenwirkungen. Wie so oft bei leichtsinnigem und dummem Verhalten.

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